Warum Bindung so wichtig ist und wie wir sie aufbauen können

Warum Bindung so wichtig ist und wie wir sie aufbauen können

Kinder sind Bindungswesen und streben ständig danach, dass ihr Bindungstank aufgefüllt wird, dieses Wissen kommt aus der Bindungsforschung. Denn mit diesem gut gefüllten Bindungstank können sie sich lösen und auf Erkundungstour gehen. Sicherlich bist du als Mama schon häufig über den Begriff Bindung gestoßen. Dir ist natürlich klar, dass eine gute Bindung und Beziehung zu deinem Kind wichtig sind – liegt ja auch in deiner Natur als Mama. Aber wie genau funktioniert das ganze eigentlich und wie kannst du den Bindungstank deines Kindes füllen, damit es frei und selbstbewusst die Welt erkunden kann? Kindheits- und Sozialpädagogin Melanie Gold beantwortet uns die wichtigsten Fragen.

Bindung – was bedeutet das eigentlich genau?

Die Bindungsforschung, allen voran Mary Ainsworth, hat herausgefunden, dass Kinder deren Bindungstank voll ist besser die Welt entdecken können. Auf der anderen Seite haben es Kinder, die sich unbewusst immer versichern müssen: „Ist alles in Ordnung?“, „Ist Mama noch da?“, es schwerer haben zu erkunden. Dabei ist Bindung nichts was einfach mal so plötzlich aus dem Nichts passiert, sondern sich im Laufe des Lebens ausbildet. Eine besondere Rolle spielen dabei die ersten Lebensjahre. Das Bindungsverhalten welches wir in dieser frühen Zeit erlernen, prägt uns und unser Leben. Somit entwickelt sich schon zu Beginn unseres Lebens unser Verständnis von Bindung. Dein Kind ist also schon ab Geburt an auf dich als engste Bindungsperson angewiesen. Sie sind von da an während ihrer Kindheit darauf angewiesen, von dir beschützt und begleitet zu werden. Die Grundlage hierfür ist die Bindung. Dein Baby bindet sich an dich, wenn du auf seine Bedürfnisse reagierst und es umsorgst – dafür hat die Natur gesorgt (dieser Prozess wird auch Attachment genannt). Gleichzeitig bindest du dich immer mehr an dein Baby (auch Bonding genannt).

Tatsächlich passiert Bindung immer, ganz egal wie dein Umgang oder deine Haltung gegenüber deinem Babys ist. Jedoch sorgt eine zügige, verlässliche und feinfühlige Bedürfnisbefriedigung für eine sichere Bindung mit deinem Kind. Erfolgt keine Reaktion von deiner Seite, entwickelt das Kind kein Vertrauen in dich und lernt, dass seine Bedürfnisse nicht wichtig sind. Somit trauen sie sich auch weniger Dinge zu. Du als Mama bist also die Basis, die dein Kind braucht, um sich frei entfalten zu können. Du bist der sichere Hafen, an den sie immer wieder zurückkehren können. Dieser Prozess verläuft über die ganze Kindheit, wobei das erste Jahr dabei besonders prägend ist. Bindungsmuster werden aber auch bis zum dritten Lebensjahr gefestigt.

Deine Rolle in der Bindungsorientierten Erziehung

Bei der Bindungsorientierten Erziehung sollte dein Fokus darauf liegen, die Bindung zwischen deinem Kind und dir zu stärken. Da kommt dann auch die bedürfnisorientierte Erziehung ins Spiel, denn wie bereits oben erwähnt, geht es vor allem um die Erfüllung der Bedürfnisse z.B. nach Essen, Nähe und Schutz. Im Alltag bedeutet das bei jedem Kind natürlich etwas anderes.

Wichtig sind aber meistens viel Körperkontakt und das Reagieren auf Weinen – die einzige Möglichkeit deines Kindes sich hinsichtlich seiner Bedürfnisse auszudrücken. Sobald dein Baby ins Kleinkindalter kommt verschiebt sich oft der Fokus etwas. Dennoch geht es im Alltag weiterhin um die Versorgung, Zuwendung und Nähe. In diesem Alter kannst du die Bindung im gemeinsamen Spiel oder beim Vorlesen stärken und weiterhin auf die Bedürfnisse deines Kindes eingehen.

Was kannst du tun?

Achte als Mama doch öfter mal bewusst darauf: Lebt ihr gerade mehr nebeneinander her oder seid ihr miteinander in Verbindung? Häufig sind wir so in unseren Alltagsaufgaben und unseren Gedanken gefangen, dass wir andere – und dadurch auch die Kinder – nicht gänzlich wahrnehmen. Ebenso spielt es eine Rolle, dass du auf Augenhöhe mit deinem Kind bist, ihm Trost und Anteilnahme spendest.

Hier kannst du mal darauf achten und dich fragen: Nehme ich die Gefühle von meinem Kind ernst? Wie kommunizieren wir miteinander? Wenn du das Gefühl hast, dass die Bindung zu deinem Kind gerade verbesserungswürdig zu sein scheint, dann ist das kein Grund für ein schlechtes Gewissen. Bei niemandem läuft immer alles perfekt und Bindungs- und Bedürfnisorientierte Erziehung ist ein Prozess. Denn Bindungsmuster sind veränderbar.

Bindung als Basis für Autonomie und Wachstum

Nachdem es im ersten Lebensjahr nun viel um die Bindung ging, strebt dein Kinder nun immer mehr nach Autonomie. Das ist eine ganz natürliche und wertvolle Entwicklung. Im Spannungsfeld mit der Bindung kann das Streben nach Autonomie schnell anstrengend werden. Hier kommt der Bindungstank ins Spiel, denn mit einem vollgeladenen Bindungstank, kann dein Kind die Welt besser entdecken. Denn bei all dem Bedürfnis nach Autonomie braucht dein Kind eben auch noch viel Nähe und Sicherheit durch dich.

Wahrscheinlich kennst du die Situation: Dein Kind ist ganz vertieft ins freie Spiel. Doch auf einmal beginnt es immer öfter nach dir Ausschau zu halten und sucht Blickkontakt. Wenn es sichergestellt hat, dass du da bist kann es weiterspielen. Aber irgendwann läuft der Bindungstank langsam leer. In diesem Fall werden die Spielunterbrechungen immer länger und dein Kind sucht deine Nähe. Körperkontakt und die Nähe zu dir sorgen nun dafür, dass der Bindungstank wieder zu gefüllt wird. Bildlich gesehen kannst du dir das wie eine Waage vorstellen – auf der einen Seite ist die Bindung, auf der anderen Seite die Autonomie. Eine von beiden Seiten wiegt im jeweiligen Moment immer etwas schwerer, als die andere. Ist der Bindungstank voll, verlagert sich das Gewicht auf die Seite der Autonomie und dein Kind kommt in den Entdeckungsmodus. Wird der Bindungstank leerer, verlagert sich das Gewicht wieder mehr Richtung Bindung und es wird Zeit diesen zu füllen.

Bindungstank auffüllen – Durch die 5 Sprachen der Liebe

Das Konzept der „Fünf Sprachen der Liebe“ kommt von Gary Chapman. Seine Grundidee ist dabei, dass jeder Mensch eine bestimmte Art und Weise hat, wie er Liebe am besten empfangen und auch geben kann. Solltest du mehrere Kinder haben hast du eventuell schon bemerkt, dass eines davon z.B. gerne viel kuschelt, während andere sich mehr über gemeinsame Aktivitäten freuen, anstatt zu kuscheln. Verschiedene Sprachen zeigen sich auch bei deinem Partner/Mann, Freundin oder Verwandten.

Was sind diese 5 Sprachen?

Bedenke im Voraus bitte, dass keine der folgenden Sprachen per se „gut“ oder „schlecht“ ist. Und keine davon ist erstrebenswerter oder besser. Genauso, wie es individuelle Vorlieben z.B. beim Essen gibt, so gibt es unterschiedliche Ausdrucksformen der Liebe, die bevorzugt werden. Bei dieser Sprache genießen Erwachsene und Kinder gemeinsame Momente am meisten, bei denen sie ungeteilte Aufmerksamkeit erhalten und jemand ihnen emotional zugewandt ist. Sie mögen tiefe Gespräche und gemeinsame Aktivitäten, bei denen der andere wirklich präsent ist.

Anerkennung

Erwachsene und Kinder, die diese Sprache bevorzugen, hören gerne anerkennende, ermutigende und freundliche Worte. Das kann ein Lob sein, wenn man ihnen Mut macht oder Komplimente und Liebeserklärungen.

Gemeinsame Zeit

Bei dieser Sprache genießen Erwachsene und Kinder gemeinsame Momente am meisten, bei denen sie ungeteilte Aufmerksamkeit erhalten und jemand ihnen emotional zugewandt ist. Sie mögen tiefe Gespräche und gemeinsame Aktivitäten, bei denen der andere wirklich präsent ist.

Geschenke

Erwachsene und Kinder, die diese Liebessprache sprechen, sind glücklich über kleine Aufmerksamkeiten und Geschenke. Durch Liebesbeweise, die von Herzen kommen und mit Bedacht ausgewählt sind, freuen sie am meisten. Dabei geht es gar nicht um den materiellen Wert.

Praktische Hilfe

Hier steht praktische Unterstützung und kleine „Liebesdienste“ an vorderster Front. Wenn jemand etwas für sie erledigt und etwas abnimmt oder wenn ihnen Hilfsbereitschaft signalisiert wird, kann man diesen Menschen Liebe signalisieren.

Körperkontakt

Sollten Menschen in deinem Umfeld oder dein Kind diese Sprache favorisieren, bedeutet dies, dass sie viel Körperkontakt wünschen. Das kann eine Umarmung sein, ein Schulterklopfen oder auch einfach mal nur ein Abklatschen.

Fünf Sprachen der Liebe also. Da, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass mindestens einer in deiner Familie eine andere Sprache spricht als du. Da kann es schon mal leicht zu Missverständnissen kommen. Denn jeder zeigt dem anderen hauptsächlich in seiner Sprache, wie sehr er den anderen mag. Was wiederum aber nicht bedeutet, dass die Liebe auch wirklich dann so beim anderen ankommt.


Wie finde ich die richtige Sprache für mein Kind heraus?

Ab einem gewissen Alter kannst du natürlich dein Kind einfach fragen, was es im Vergleich bevorzugen würden. So lässt sich herausfinden, ob sie lieber ein großes Lob, eine gemeinsame Unternehmung, ein wohl durchdachtes Geschenk, deine Unterstützung bei etwas für sie Schwierigem/Nervigem oder eine Kuschelrunde auf dem Sofa bevorzugen. Eine gute Strategie ist es, den Kindern immer mal wieder zwei Alternativen zu bieten, zwischen denen sie wählen können, z.B.:

„Möchtest du mir in der Küche helfen oder sollen wir eine Runde auf dem Sofa kuscheln?” (Praktische Hilfe + gemeinsame Zeit oder Körperkontakt)

„Soll ich dich beim Aufräumen heute mal unterstützen oder wollen wir zusammen erstmal einen Spaziergang machen und du räumst danach alleine auf?” (Praktische Hilfe oder gemeinsame Zeit)

„Möchtest du lieber, dass ich dir von meiner Joggingrunde eine Kleinigkeit von draußen mitbringe (z.B. einen schönen Stein) oder soll ich dir in einem Brief aufschreiben, was ich alles an dir mag?” (Geschenk oder Anerkennung)

Sicherlich fallen dir bestimmt noch viele Beispiele ein, die zu eurem eigenen Alltag passen. Probiere es also ruhig einfach mal aus. So kommst du der Lieblingssprache deines Kindes immer näher und kannst diese öfters anwenden.

Und wie mache ich das bei meinem Baby/Kleinkind?

Hier sieht die ganze Sache logischerweise anders aus, denn dein Baby kann dir natürlich noch nicht mitteilen oder zeigen, welche Sprache der Liebe es spricht und bevorzugt. Laut Chapman kann unter 3 Jahren die Sprache der Liebe auch noch nicht herausgefunden werden. Hier ist es wichtig, dass du deinem Kind alle Sprachen zukommen lässt.

Voller Bindungstank = Wachstum für dein Kind

(Und das bedeutet öfters auch mal mehr Zeit für Dich) Wie du jetzt weißt, quengelt dein Kind oft herum, wenn der Bindungstank leer ist und dann nimmt es dich auch ziemlich ein. Da kann es schon mal passieren, dass du ordentlich genervt bist. In diesen Momenten solltest du aber nicht gereizt und ungeduldig reagieren, sondern dich an den Bindungstank erinnern und checken, ob er bei deinem Kind leer sein könnte. Füllst du diesen wieder auf, dann geschehen erstaunliche Dinge. Versuche es in diesem Fall doch mal mit den Sprachen der Liebe. Dein Kind wird dann glücklich und sicher seine Umwelt erkunden, mit dir kooperieren und beschäftigt sich sogar selbst. Das wiederum bedeutet, dass du Zeit deinen eigenen Tank wieder zu füllen, mit Dingen, die dir gut tun. Denk daran, dass das mindestens genauso wichtig ist, wie bei deinem Kind. You can’t pour from an empty cup! Was bedeutet, dass du anderen nur Energie, Aufmerksamkeit und Liebe schenken kannst, wenn du selbst mit Energie und Liebe gefüllt bist.
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Verwendete Literatur:

Chapman, G.& Campbell, R. (2014). Die 5 Sprachen der Liebe für Kinder. Wie Kinder Liebe

ausdrücken und empfangen. Francke-Buch (22. Auflage).

Foto via Pexel

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