Stressfreie Adventszeit

Stressfreie Adventszeit

Das Herzklopfen beginnt eigentlich schon im November. Die Supermärkte haben schon vor Wochen oder sogar Monaten mit dem Aufbau der Türme aus Lebkuchen und Spekulatius begonnen. Mandarinen gibt es auch bereits seit den Herbstferien und die ersten Adventskalender drängen sich seit ein paar Tagen in den Aufstellern. Das bedeutet, es wird eine Zeit eingeläutet, die schöner und schrecklicher und gemütlicher und anstrengender nicht sein könnte. Und auch wenn Corona die Vor- und Weihnachtszeit fest im Griff hat, wollen wir diese besondere Zeit genießen. Wie nehmen wir die Fahrt da raus, behalten das Wichtige im Blick – nämlich uns – picken uns das Schöne heraus, ohne das Notwendige zu vergessen und spazieren durch diese eigentlich sehr schöne Zeit? Wir haben die Achtsamkeitstrainerin und Josephine Belke um Tipps zur Entschleunigung gebeten. Sie wusste ermutigende und inspirierende Dinge zu erzählen.

Neulich traf ich meine beste Freundin (verheiratet, 1 Sohn im Vorschulalter) und sie erzählte mir von einem Traum, den sie gehabt hatte.

„Stell dir vor, was ich geträumt habe: Es ist morgens. Ich gehe im Schlafanzug durch die Wohnung. Die ist sauber geputzt und aufgeräumt. Überall sind Kerzen aufgestellt. Ich wandle durch die Wohnung, mein Mann und mein Sohn grinsen mich die ganze Zeit an. Ich bin im Flur, laufe an einem Adventskalender mit lauter kleinen Papiertüten vorbei, darüber hängt eine Girlande aus Papierbuchstaben, auf der steht „Mamas Adventskalender“. Ich staune und lächle, meine beiden „Männer“ sehen sich an und strahlen. Ich gehe weiter. Vor der Haustür stehen unsere Stiefel. Es scheint also Nikolaus zu sein – die Dinge verwischen ja manchmal so herrlich in Träumen. In meinem Stiefel steckt ein Schokoladennikolaus und gemütliche Winterhandschuhe. Es liegen Nüsse und Mandarinen im Flur, die „Männer“ haben auch was Tolles im Stiefel, ich erkenne aber nicht was. Ich nehme meinen Mann in den Arm, küsse ihn und beuge mich dann hinunter, um mit meinem Sohn seine Sachen anzugucken. Da klopfen mir beide auf die Schulter und sagen: Dreh dich mal um! Ich drehe mich um und sie zeigen mir mehrere fertige Fotokalender – für die Großeltern, Tante Kitty und Onkel Hans: ,Sind schon fertig! Und jetzt gibt’s Kakao! Wir wollen dich noch zum Weihnachtsmarkt einladen’…dann klingelte der Wecker… Ich dachte zuerst, es sind die Glöckchen vom Karussell, war aber leider nicht so! Es war ein so schöner Traum. Ich hatte den ganzen Tag gute Laune! Weißt du, was mich daran nachdenklich gemacht hat? Ich habe die Rolle der Ich-übertreffe-alle-Erwartungen-und-bin-auch-zur-Weihnachtszeit-für-alles-zuständig-Mama irgendwann einfach angenommen und seitdem ist es so!“

Von vielen Müttern wird die Weihnachtszeit als sehr stressig empfunden. Zu den normalen Herausforderungen kommt noch der Deko-Wahnsinn, das Adventsbasteln, die Erkältungszeit und das Geschenke-, Adventskalender-, Nikolaus- und Weihnachtssessensmanagement on top hinzu. Ich habe mal einige Väter in meinem Umfeld gefragt, wie sie das sehen. Und interessanterweise haben mehrere gesagt, sie würden sich kaum trauen, sich da einzumischen, weil sie das Gefühl haben, nicht das Richtige zu machen, bzw. die Vorstellungen ihrer Frauen nicht zu erfüllen. Wie auch immer es bei euch ist. Stress entsteht am allermeisten dadurch, dass wir zu hohe Ansprüche an uns selbst stellen und denen eigentlich nie gerecht werden können. Also, statt hängender Zunge und Kurzatmigkeit kommen hier Tipps, um es vielleicht mal anders zu machen.

Eine „Dieses-Mal-entspannt-durch-die-Adventszeit-Liste“

Um ehrlich zu sein: Ich hasse Listen! Aber diese Vorgehensweise hier finde ich sehr hilfreich. Wie wäre es, wenn du mal die Punkte durchgehst, die dich in der Adventszeit am meisten fordern und dir überlegst, wie es etwas einfacher sein könnte? Und damit ist gemeint, dass du dir ganz bewusst eine Stunde Zeit nimmst, dir einen leckeren Kaffee oder Tee machst, dich mit einem Zettel und Stift hinsetzt und durchgehst, was ALLES so ansteht in den kommenden Wochen. Schreibe einmal alle Punkte auf, die zu erledigen sind. Und zwar möglichst genau. Also nicht nur: Geschenke kaufen, sondern für wen und was? Oder das Befüllen der Nikolausstiefel: Was muss da rein? Wo besorgst du das?

Wenn du diese Liste fertig hast, mache hinter jedem Punkt, der dir viel Spaß macht, ein Herzchen und hinter jedem Punkt, den du nicht so gern machst, ein Sternchen.

Dann fasse zusammen, welche Herzchen-Aktionen du zusammenlegen kannst, um nicht für alles einzeln loszulegen. Und dann überleg dir, wie wichtig die Sternchen-Sachen wirklich sind und welche du davon weglassen kannst. Anschließend schreibe dahinter, welche du von den Dingen, die übrig geblieben sind, abgeben kannst: An deinen Partner, eine Patentante, einen Onlinedienst, an wen auch immer. Wenn du damit fertig bist, folgt der nächste Punkt.

Zeit für DICH allein

Adventszeit soll eigentlich eine gemütliche Zeit sein, in der wir zur Ruhe kommen und innehalten können. Eine tägliche Auszeit nur für dich ist wichtig, um in deiner Kraft zu bleiben. Nimm dir im Dezember jeden Abend vor dem Schlafen gehen Zeit, um in ein Heft ein paar Zeilen zu schreiben, wofür du dankbar bist. Wenn du es mal nicht schaffst oder vergisst, nicht schlimm, aber mache am nächsten Abend weiter. Neue Rituale brauchen Zeit, bis sie zur Gewohnheit werden. Es gibt mittlerweile zahlreiche Untersuchungen, die beweisen, dass das Führen eines Dankbarkeitstagebuches sich positiv auf Stresspegel und Schlafqualität auswirkt. Probiere es doch mal aus. Was ich daran so mag ist das Gefühl, dass dieses Buch mein Platz ist. Wenn ich tagsüber und nachts schon alles teile, meinen Teller, mein Bett, meine Süßigkeiten, dann habe ich in dem Heft einen Raum, der nur mir gehört. Das geniesse ich sehr.

Für dich und eine Herzensperson

Gibt es eine Möglichkeit, dass du mal wieder vor die Tür kannst und du dich mit einer Freundin, einem Freund oder auch deinem Lebenspartner verabreden kannst? Dann tue es und zwar ganz bewusst als einen besonderen Moment in der Adventszeit. Verabrede dich mit einer Herzensperson. Geht gemeinsam in einen Wald in eurer Nähe. Wenn es euch nachmittags in der Dunkelheit unheimlich ist, könnt ihr Kerzen mitnehmen und euch auf einen Baumstumpf setzen und das Licht genießen. Bitte geht dabei sorgsam mit den Kerzen in der freien Natur um. Oder ihr verabredet euch an einem Tag, an dem es auch mal morgens ginge. Und nun nehmt euch einen Moment Zeit und beantwortet zunächst innerlich die Frage: Warum bist du mir wichtig? Dann teilt die Antwort mit eurer Herzensperson. Wenn die Person, die euch in den Sinn kommt, nicht am gleichen Ort lebt oder es aus anderen Gründen nicht klappt, sich zu sehen, dann schreibt einen Brief. Wichtig ist nur, dass ihr euch gegenseitig schreibt, damit du auch etwas zurückbekommst. Beziehungen zu Menschen zu pflegen, die uns wichtig sind, ist eine enorme Kraft- und Glücksquelle.

Für EUCH als Paar

Gibt es etwas, was in deiner Beziehung zu kurz kommt? Theaterbesuch, ins Lieblingscafé, spazieren gehen? Anstatt die Weihnachtszeit mit Terminmarathon und tollen Einladungen für andere zu verbringen und zu Weihnachten innerlich ein grünes „Geschafft-Häkchen“ zu setzen, überlegt euch doch mal, was ihr gern gemeinsam unternehmen möchtet. Und zwar ohne Kinder! Und dann sucht euch einen Tag aus und setzt es auch um. Es kann etwas ganz Kleines sein, wie z.B. eine gemeinsame Busfahrt, bei der ihr die Weihnachtsdeko in eurer Stadt anschaut oder ein Spaziergang an einem See. Wenn du alleinerziehend bist, dann unternimm etwas Schönes mit einer Freundin oder einem Freund.

Für euch als Familie

In meiner Wahrnehmung ist es so, dass viele Familienrituale häufig kommerziell fremdbestimmt sind, wir dem Thema selbst aber kein eigenes Leben eingehaucht haben. In Wahrheit ist die Adventszeit eine zutiefst christlich geprägte Zeit und die „Erfindung“ der vier Adventssonntage geht auf das 7. Jahrhundert zurück. (Die vier Sonntage standen symbolisch für die viertausend Jahre, die die Menschen gemäß damaliger Auffassung nach dem Sündenfall auf den Erlöser warten mussten.) Es ist also gar keine Erfindung von Instagram, um einen Wettbewerb der schönsten Weihnachtsplätzchen zu starten. Ich bin in Holland aufgewachsen und da feiert man Nikolaus und nicht Weihnachten, in Spanien feiert man die Heiligen 3 Könige, in anderen Religionen feiert man wiederum ganz andere Feste.

Habt ihr als Familie für euch mal überlegt, was euer ureigenstes Ritual für diese Zeit sein kann? Wisst ihr, was euch stärkt und warum ihr das macht? Ich teile eine Tradition meiner Eltern, meines Bruders und mir mit euch. Wir haben früher als wir in Holland lebten, rund um Nikolaus immer eine Überraschung von den Nachbarn vor der Tür gehabt. Einmal war es ein großer aus Karton gebastelter Roboter gefüllt mit Süßigkeiten. Als wir nach Deutschland gezogen sind, haben wir das übernommen und unseren Nachbarn immer um diese Zeit eine Überraschung in den Garten gebracht. Mal waren es Sterne, die wir in eine Tanne gehängt haben, mal haben wir Äpfel auf Holzstöcke gespießt, die wir in den Boden gesteckt haben. Es war nichts, was viel Geld kostete. Uns ging es um die Überraschung und auf diese Art zu sagen: „Schön, dass ihr unsere Nachbarn seid!“ Vielleicht fällt euch ja auch etwas ein, was eure Adventstradition werden kann, die eure Kinder dann später weitergeben.

In diesem Sinne wünsche ich dir und deiner Familie eine gemütliche und stressfreie Advents-und Weihnachtszeit. Und falls du zu den Menschen gehörst, die total entspannt durch diese Zeit gehen, dann schenke doch den Hochleistungsportlerinnen um dich herum mal einen warmherzigen und wohlwollenden Tipp, wie das geht.

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